Der Hund in der Therapie
In meiner Praxis für tiergestützte Logopädie und Legasthenietraining wird der Berner Sennenhund ”Quinn” als Therapiebegleithund eingesetzt. Mir wurde oft die Frage nach dem „Warum“ gestellt.
Zu dieser Frage sind schon viele, auch wissenschaftlich fundierte Bücher veröffentlicht worden.
Nachfolgend möchte ich aus meiner praktischen Arbeit mit dem Therapiebegleithund einige, für mich wichtigen Aspekte, benennen:
1.) Der Hund wertet nicht
Patienten, die aufgrund ihrer sprachlichen oder sonstigen Defizite oft frustrierende Erlebnisse im Kontakt mit Mitmenschen erlebt haben, werden vom Hund ohne Vorurteile angenommen und begrüßt. Ihm sind Herkunft, Kleidung, Sprache usw. gleichgültig. Quinn behandelt alle Menschen gleich freundlich.
2.) Der Hund motiviert
Es hat sich gezeigt, dass Patienten leistungsbereiter sind, wenn sie Aufgaben nicht für sich, sondern für den Hund lösen. Auch für den Patienten „schwierige“ Anforderungen werden, wenn es z.B. darum geht dafür Leckerlies zu erhalten, um sie anschließend dem Hund zu geben, viel eher in Angriff genommen. Dies gilt vor allem für Patienten, die bereits sehr lange in Therapie sind und deren Motivation stark abgenommen hat.
3.) Der Hund ist in der Hierarchie ganz unten
In der „Rangfolge“ stehen normalerweise Kinder an unterster Stelle und müssen Weisungen der Erwachsenen befolgen. Dies ändert sich, wenn der Hund in die Therapie eingebunden ist. Dann sind die Kinder diejenigen, die auch mal “Komandos” geben oder ”Einfluss” auf ein anderes Lebewesen haben dürfen und sollen. So lernen sie, dass sie mit ihrem Sprechen sehr wohl etwas bewegen können.
4.) Der Hund macht Fehler
Fehler zu machen ist für manche Patienten ein Problem. Gerade wenn das Sprechen ein Problem ist und die Patienten im häuslichen Umfeld ständig korrigiert werden, folgt unweigerlich der Frust. Fehler zu machen kann somit zu einem hohen Störungsbewusstsein führen. Erleben sie nun, dass Fithe auch mal Fehler macht, kann sich dieses Störungsbewusstsein relativieren und es ist für die Patienten dann nicht mehr so schlimm Fehler zu machen.
5.) Der Hund kann körperliche Bedürfnisse zum Teil befriedigen
Jeder Mensch hat das Bedürfnis nach körperlicher Nähe. Ist nun z.B. ein Partner gestorben und der Patient ist z.B. im Pflegeheim, oder Kinder können dies aus welchen Gründen auch immer nur eingeschränkt erhalten, kann dies durch das Streicheln des Hundes ein wenig ausgeglichen werden. Auch bei schwierigen Gesprächen wirkt sich das Streicheln des Hundes positiv aus. Unsichere Patienten oder Patienten mit einem hohen Störungsbewusstsein erhalten durch das Streicheln sehr oft einen gewissen Rückhalt, so dass diese Gespräche für die Patienten angenehmer werden.
6.) Der Hund bewahrt Geheimnisse
Es gibt immer wieder Situationen, in den Patienten mit keinem Menschen ihre Sorgen teilen können/wollen. Gerade Kinder erzählen dann Fithe gerne von ihren Nöten, weil sie wissen, dass Quinn dies nie weitererzählen wird. Meist ist dann schon das Eis gebrochen. Ist das Geheimnis einmal in Worte gefasst, wird es oft doch noch einem weiteren Menschen erzählt.
7.) Mit dem Hund zu arbeiten macht mutig
Fithe ist ein sehr großer Hund. Darum ist es nicht verwunderlich, dass manch ein Patient Angst vor ihm hat. Dies ist kein Problem, dafür gibt es einen Haken in der Wand, der Hund wird dann einfach auf seinen Platz gelegt und ist festgebunden. Die Kinder haben ihn im Blick, wohl wissend, dass Fithe nicht zu ihnen kommen kann. Nun wird in der Therapie trotzdem um Leckerlies gespielt. Am Ende der Therapieeinheit werden diese dann über eine Leckerlierutsche an Fithe verfüttert, ohne den Abstand zu verringern. So ist dann ein erster Schritt auf den Hund zu getan. Diese Distanz zum Hund wird dann, vom Patienten aus bestimmt, ständig verringert. Das Tempo bestimmt ganz allein der Patient. Bisher haben so schon viele Patienten die Angst vor Fithe verloren. Der Angstabbau ist zwar nicht die Aufgabe der Logopädie, ist aber in diesen Fällen ein positiver Nebeneffekt.
8.) Die Arbeit mit Fithe macht einfach Spaß
All die Punkte, die hier aufgezählt wurden, hatten Patienten mit mehr oder weniger ausgeprägten Problemen im Blickfeld. Nun gibt es natürlich auch Patienten, auf die diese Punkte nur in geringem Umfang zutreffen. Auch für diese Patienten ist der Hund in der Therapie eine Bereicherung. Es macht einfach allen Spaß mit dem Hund Sprache zu erarbeiten. Wenn die Frage an die Patienten kommt: „Wollen wir etwas mit Quinn machen?“ fangen meist die Augen an zu leuchten und die Antwort ist immer „Ja!“
Aus aktuellem Anlass:
Hund und Corona
Das Friedrich-Löffler-Institut hat untersucht, dass für die Übertragung des Covid 19-Virus’ Hunde und Katzen keine Rolle spielen. Von daher kann und darf Quinn in der Praxis mitarbeitet.
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